Ein Digitaler Zwilling und ein Virtueller Zwilling sind zwei Begriffe, die in den Bereichen der Industrie, des Ingenieurwesens und der Informationstechnologie verwendet werden, um Konzepte zu beschreiben, die die virtuelle Repräsentation physischer Objekte oder Systeme darstellen. Da beide Begriffe oft synonym verwendet werden, findet man nur selten eine genaue Definition dieser, allerdings können sie dennoch wichtige Aspekte verdeutlichen.
Der Begriff „Digitaler Zwilling“ wurde von Grieves und Vickers eingeführt. Sie betonen, dass es beim Konzept des Digitalen Zwillings nicht nur um die digitale Darstellung geht, sondern auch um die Kommunikation zwischen dem realen und dem virtuellen Objekt. Durch den Vergleich und die Analyse von Abweichungen zwischen den beiden können Anpassungen vorgenommen und Prozesse reguliert werden. Im Zentrum dieses Konzepts steht das virtuelle Objekt, dem das reale Objekt folgen oder sich anpassen muss. Ein wesentlicher Aspekt ist daher die bidirektionale Kommunikation zwischen dem Modell und der Realität.
Ein Virtueller Zwilling geht einen Schritt weiter und bezieht sich auf die umfassendere digitale Repräsentation eines physischen Objekts oder Systems in 3D, was zum Beispiel eine genaue Verortung der Daten ermöglicht. Eine wichtige direkte Anwendung ist die virtuelle Inbetriebnahme, die inzwischen durch die allgemeine Weiterentwicklung von Software und Schnittstellen der SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung) Hersteller ganz neue Möglichkeiten bietet. Ergänzt wird diese Tendenz durch die physikalische Simulation, die bereits in einem frühen Entwicklungsstadium genutzt werden kann. All diese Entwicklungen setzen ein durchgängig genutztes 3D Modell voraus.
Der Hauptunterschied zwischen einem Digitalen Zwilling und einem Virtuellen Zwilling liegt in ihrem Umfang und ihrer Komplexität. Während ein Digitaler Zwilling eine präzise Repräsentation eines einzelnen Objekts oder Systems ist, kann ein Virtueller Zwilling mehrere Objekte oder Systeme integrieren und eine umfassendere virtuelle Umgebung schaffen. Mit einem Virtuellen Zwilling können demnach auch Wechselwirkungen einzelner Änderungen auf das Gesamtsystem erkannt und im Ergebnis bewertet werden.
Die revolutionären Fortschritte in der Informations- und Sensortechnologie führen zu erheblichen Potentialen für Unternehmen, die für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind. Neue Computer sind in der Lage große Datenmengen auszuwerten. Auch komplexe 3D Modelle können so dargestellt werden, dass Bewegungen flüssig visualisiert werden können. Dadurch entsteht eine neue Qualität in der Analyse der Prozesse, die ohne eine 3D Visualisierung nicht zu erreichen ist. Ein durchgängiges 3D Modell bietet außerdem die Möglichkeit eine konsistente Modellierung zu erreichen ohne Schnittstellenverlusten und Widersprüchen in den Modellen. Die gesteigerte Anschaulichkeit erlaubt es auch nicht Experten die Modelle zu verstehen und kann für Trainings genutzt werden.
Virtuelle Zwillinge von Städten können verwendet werden, um Verkehrsflüsse zu analysieren, städtische Infrastruktur zu optimieren und Stadtentwicklungsprojekte zu planen.
Digitale Zwillinge von menschlichen Organen oder biologischen Systemen können in der Medizin verwendet werden, um Krankheiten zu diagnostizieren, Behandlungen zu planen und medizinische Geräte zu entwickeln.
Virtuelle Zwillinge von Energieversorgungsnetzen oder Umweltsystemen können verwendet werden, um Energieeffizienz zu verbessern, Umweltbelastungen zu reduzieren und nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Zum Teil basiert der vorliegende Text und gezeigter Abbildungen auf der Recherche ausgewerteter Literatur.
Zum Teil sollen die hier aufgeführten Quellen aber auch einfach nur als Empfehlung weiterführender Literatur verstanden werden.
Complex Systems. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2017, S. 85 – 113
DOI: 10.1007/978-3-319-38756-7_4